Immer wieder taucht Klettern (Freeclimbing, Sportklettern, Freiklettern) im Zusammenhang mit den Begriffen Extremsport oder Risikosport auf. Für Kletterer ist dies natürlich nicht nachvollziehbar. Schauen wir uns das ganzen mal auf rationaler Ebene an.
Als erstes fällt auf, daß die Begriffe "Extremsport" und "Risikosport" nicht sauber getrennt werden. Diese Vermischung paßt natürlich sehr gut in das gewünschte Bild der verrückten Vollidioten. Genau wie das wilde Durcheinander von verschiedensten Bergsportdisziplinen die in die Schublade "Klettern" geworfen werden, wenn es die Argumentation nötig macht. (s. auch meine Best of Sammlung)
Der Begriff "Risikosport" wird oft synonym zu "Extremsport" verwendet,
klare Definitionen finden sich selten.
"Risikosport" suggeriert eine Sportart mit deutlich erhöhten Gesundheitsrisiko. Im Zusammenhang mit klettern wird
Risikosport gern mit Bildern von Free-Solo-Kletterern illustriert. Dabei wird ignoriert, daß Free-Solo
nur eine winzige Nische im Spektrum des Klettern ist und Sologänge normalerweise sehr gut vorbereitet
werden um Gefahren zu minimieren.
Ich will nicht bestreiten, daß es eine winzige Gruppe von Adrenalinjunkies auch unter den Kletterern gibt,
aber letztlich finden die sich in jeder Sportart und sollten deshalb nicht als beispielhaft für die
Sportart betrachtet werden.
Leider führt auch der Begriff "Freeclimbing" oder "Freiklettern" zu einiger Verwirrung bei Leuten, die
lieber ihre Vorurteile konservieren als sich zu informieren. Deshalb noch mal:
Bei Freiklettern geht es darum, sich frei von künstlichen Hilfsmitteln (Seil, Haken, Schlingen) zu bewegen.
Seil, Gurt, Haken haben nur eine Sicherheitsfunktion - sie dienen nicht der Fortbewegung!
Die gesamte passiven Sicherheit beim klettern beruht auf entsprechender Ausrüstung. Die Ausrüstung (inklusive Tests) unterliegen seit langem strengen Normen, die i.A. übertroffen werden. Allerdings gibt es immer wieder Leute die es schaffen, im Umgang mit der Ausrüstung grundlegende Fehler zu begehen. (falsche Knoten, Gurt nicht geschlossen etc) Aber es gibt auch immer wieder Autofahrer die sich bei hohen Geschwindigkeiten umdrehen, nur beim Klettern trifft der Schaden (meist) die Verursacher.
Der größte Teil der Kletterer dürfte im Sportklettern (Freiklettern, Freeclimbing) unterwegs sein. Hier bewegt man sich mit Seilsicherung an soliden Sicherungspunkten (meist Bohrhaken). Typischerweise hat man nicht mehr als 5m (meist eher einer) bevor das Seil den Flug sanft beendet.
Verletzungen beim Sportklettern sind meist Überlastungsschäden in Folge eines unsachgemäßen Trainings.
Dem Boulderer wird gern Höhenangst nachgesagt und so findet man ihn typischerweise in Bodennähe. Zu dem ist der Boden noch mit dicken Matten abgepolstert und eine Schar von Freunden paßt auch noch auf, daß man nicht mit dem Kopf zuerst landet - da habe ich beim Schulsport deutlich härterer Bruchlandungen erlebt.
Verletzungen beim Bouldern sind meist Überlastungsschäden in Folge eines unsachgemäßen Trainings.
Alpine Kletterer sind schon ein wenig vom Heldenstatus umweht, hier gibt es oft große Sicherungsabstände und die Sicherungspunkte sind nicht immer absolut zuverlässig. Hinzu kommen Gefahren von außen (Steinschlag, Wetterumschwünge). Deshalb bewegt sich der alpine Kletterer auch ungern in der Nähe seiner (physischen) Leistungsgrenze und pflegt die Maxime "Im Zweifelsfall umkehren".
Die Unfallzahlen im alpinen Bereich umfassen auch einige Abstürze mit zum Teilen bösen Folgen. Interessanterweise sind aber der größte Anteil (prozentual) der Verunfallten im Gebirge Bergwanderer!
Leider gibt es für Unfälle im Bereich Heim- und Freizeit in Deutschland - im Unterschied zu den Bereichen Arbeit, Schule und Verkehr - keine gesetzliche Grundlage für die Erfassung von Unfalldaten.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht Zahlen für 1996 [ Datenquelle]Eine Studie des Bundesverbandes der Unfallkassen von 2006: Ballspiele sind Risikosport Nummer eins
Wie bei alle Sportarten hat man auch bei Klettern ein gewisses Risko sich zu verletzten. Zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und zu rauchen und trinken ist sicherlich nicht so verletzungsgefährdet und die Langzeitfolgen eines solchen Lebens laufen dann unter "normalen" Gesundheitsproblemen und kein Stammtisch und kein Politiker kommt auf die Idee dafür extra Krankenversicherungsprämien zu forden, wie es für s.g. "Riskikosportarten" immer wieder passiert.
Für Klettern als Leistungsport gilt wie für jeden Leistungsport die Aussage von B.Brecht: "Der große Sport fängt da an, wo er längst aufgehört hat, gesund zu sein."